Whisky-Brennereien für neue Whiskyreise entdeckt!
Die April- und Maiwochen sind in Schottland meist so wunderbar sonnig , erfreulich warm und inspirierend, dass ich spontan aus unserem Büro in South Queensferry verabschiede, um eine eine eine neue Whiskytour zu erkunden. Mein erstes Ziel: die Blair Athol Distillery. Hübsch und traditionell von aussen und zentral in Pitlochry gelegen. Ein möglicher Konkurrent zur Edradour Distillery, auch wenn sie zum Diageo-Imperium gehört! Was für ein Irrtum. Die Whisky-Distillery ist wirklich nur für ahnungslose Ladungen an Bustouristen zurechtgemacht. Obwohl die Brennerei wegen Wartungsarbeiten bis Juli geschlossen ist, bekomme ich eine Privatführung, die mich kaum überzeugt. Viel geschminktes Palaver, wenige, wirklich interessante Informationen. Mein deutscher Tourguide will mir sogar weissmachen, dass der Whisky noch traditionell von Hand in Fässer gefüllt werden, obwohl der Whisky täglich in Tanklastern nach Glasgow “abgeführt” wird. Im Warehouse nur ein gestellter Blick auf posende Fässer hinter Glas. Im Shop nur die 12 Jahre Standard-Abfüllung (die einzige!), keine cask strength-Abfüllungen– das meiste geht eben, wie wir wissen, in die Bell’s-Vermengung.
Am späten Nachmittag will ich wie zur Bestätigung in der Bar von “good old” Edradour einfallen und werde auch dort entzaubert! Seit dem 2. April muss man in der bisher frei zugänglichen Brennerei £5 bezahlen, selbst wenn man nur den Shop und die Bar ansteuern will. Ein bisschen viel, wenn man weiss, dass die Führung 15 Minuten dauert. Wenn wenigstens die neue Abfüllanlage und die riesigen, im Bau befindlichen Lagerhäuser im Preis inkludiert wären!
Am nächsten Tag fahre ich zwischen den Geröllhaengen der Glenshee Berge, eine Steppenlandschaft aus Heide, Moos und zwitschernden Bächen. Hinter Braemar, dem kältesten Ort der Grossbritanniens, schlängelt sich die Strasse am River Dee entlang, im Queen’s Country dem Feriendomizil von Elizabeth II. entgegen. Hinter Ihrem Balmoral Castle nistet eine der kleinsten Brennereien Schottlands, die Royal Lochnagar Distillery, eine von 28 Whisky-Brennereien von Diageo. Ich bekomme die letzte Tour des Tages, im typisch professionellen markenlosen Stil der Diageo-Führungen. Zuerst bereue ich die Führung (der Visitor Shop und Complimentary Dram hätten auch gereicht!), aber die Brennerei, die Ihre Gerste vom Rosel Isle Malting bezieht und 6 Leute beschäftigt, wartet doch mit der ein oder anderen Überraschung auf. So kann man z.B. montags, mittwochs und donnerstag die Maischeproduktion verfolgen, die noch in einem traditionellen, offenen Bottich erfolgt und das gesamte “Mash House” bis unter die braunen Holzdachbalken in eine Dampfsauna verwandelt. Man bekommt die beiden Kupfer-Stills und die Abfüllanlage, wo 35 “second-fill-butts” pro Woche abgefüllt und schliesslich zur Lagerung in die Glenlossie Distillery gebracht werden. Nach einiger Zeit landet man schliesslich im Warehouse No1. Hier, im einzigen “Dutypaid Warehouse” von Schottland werden die Fässer der meisten Diageo Brennereien für Trainingszwecke gelagert. Diageo-Angestellte und Malt Advocats der ganzen Welt kommen hierher, um sich im Riechen, Verkosten und Blenden schulen zu lassen. Die private Teilnahme ist leider ausgeschlossen! Empfehlenswert ist aber die Connaisseur-Tour mit der Verkostung des 12yrs Lochnagar, der Destillers Edition und Selected reserve für £10.
Mein nächster Tag gehört der Speyside – oder korrekt formuliert: den drei Highland-Whiskies in der Speyside! Ich fahre bei Ardmore vorbei (bisher noch kein Besuchszentrum) und erhalte in Glengarioch (sprich “glengiri”) den herzlichsten Empfang seit ich Whisky-Brennereien besuche. Jane, die hier seit den 80er Jahren arbeitet und Frank, der selbst ein Whisky-Sammler ist, führen mich durch ihr Whisky-Reich und liefern sich dabei die witzigsten Wortgefechte. Ursprünglich war Glengarioch einer der kräftigsten “peated” Whiskies der Speyside, die neuen, nach 1995 produzierten Tropfen haben allerdings kaum Torfanteil. Der Founder’s Reserve, ohne Altersangabe, ist zum Beispiel so ein Whisky. Neben der normalen Führung bietet Glengarioch eine VIP-Tour an, wo der 12yrs, der 1990 und 1978 sowie ein New Make verkostet wird.
Mein absoluter Favorit aber wird Glendronach Distillery. Auch hier erhalte ich einen familiären Empfang. Und eine ausführliche, vom Touristen-Nepp weit entfernte Tour. Die Stills der zusammen mit BenRiach privat geführten Brennerei wurden noch bis 2005! mit Kohle geheizt. Und bei der Verkostung danach werden die Gläser fast randvoll ausgeschenkt. Von jeder Abfüllung! Ob man hier immer so grosszügig ist, frage ich mich glückselig und habe Mühe, zum Ausgang zu finden. Glendronach bietet übrigens auch eine Connaisseur’s-Tour an, mit dem alten Distillery Manager Frank, der für 20 GBP 6 verschiedene Drams und ein Sample direkt im Warehouse aus dem Fass verkosten lässt!